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Der Rappoltsteiner Parzifal (Cod. Donaueschingen 97), früher überwiegend als Überlieferungsträger des Wolfram schen Parzifal mit wertlosen Ergänzungen angesehen, lässt sich am ehesten als ein Sonderfall der Kompilation beschreiben. Das Produzententeam um Claus Wisse und Philipp Colin nahm die kanonischen Continuations des Conte-du-Graal Chrétiens und weitere Texte altfranzösischer wie auch mittelhochdeutscher Provenienz in das Korpus auf, beharrte jedoch auf der episch-linearen Erzählstruktur. Auf diese Weise entstand eine Gralerzählung mit unvereinbaren handlungslogischen Widersprüchen. Die vorliegende Untersuchung wertet die Widersprüche nicht als Mangel, sondern als wesentliches Merkmal des Korpus und entwickelt für die Interpretation ein Konzept, das auf dem modernen Komplementaritätsbegriff basiert. Ein gewichtiges Instrument zur Ermittlung der mannigfachen Zusammenhänge, die um die tragenden Erzählelemente Ritter, Minne und den Gral kreisen, stellt die Bestimmung der Identität und Differenz einzelner Episoden dar wodurch erst die omnipräsenten Wiederholungsstrukturen Kontur gewinnen. Kapitelweise werden die diversen Vorlagen unter Berücksichtigung des neuen Kontextes im Rappoltsteiner Parzifal behandelt, um die Bezugsfähigkeit der wichtigsten Stationen Parzivals und Gawans aus dem Einschubsteil auf die Rahmentexte Wolframs und Chrétiens sichtbar zu machen.