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Die Musik des Mittelalters scheint uns fern und fremd. Trotz Mittelalter-Märkten reihum wird sich das auch kaum ändern: Denn diese Musik bildet sozusagen die Kindheit und Jugend unserer Musikkultur, die wir lange hinter uns gelassen haben. Doch gerade als solche sollte sie Musikpädagogen, aber auch Musiker und Musikliebhaber interessieren, entdecken sie in ihr doch jene grundlegenden Handlungsmuster, die den Weg einer europäischen Musikalisierung markieren: So die Anverwandlung eines an sich fremden Singens und dessen Inauguration als existenzielle Daseinssituation (Choral + Gottesdienst), die Notwendigkeit und Fähigkeit, das Tönen der eigenen Stimme schriftlich festzuhalten (musikalische Notation), der Wunsch, das eigene Tätigsein im Sinne einer Autorität zu perfektionieren (frühe Mehrstimmigkeit), die Fähigkeit, das eigene musikalische Handeln als solches zu sehen und einer Verfügung zu unterstellen (Motette), schließlich das Bedürfnis, sich und seine Lebenssituationen mit einer eigenen Musik auszustatten, um mit ihr (s)eine Bedeutsamkeit zu erleben (Diskantlied und Messe), insgesamt also Prozesse der Entwicklung und Aneignung, wie sie Menschen auch heute in Kindheit und Jugend durchlaufen, die sich zur Bildung ihrer Persönlichkeit jene Musik aneignen, die europäische Kultur als Option für sie bereithält. Ausgerechnet Mittelalter? Im Namen eines Verstehens jener menschlichen Tätigkeit, die wir Musik nennen: unverzichtbar!